Regie­rung hat Lücke zwi­schen Anspruch und Wirklichkeit

Veröffentlicht am 29. März 2023

Regie­rungs­er­klä­rung

Wie geht Deutsch­land den Weg in die neue Zeit? Wird der Umbruch in Euro­pa „gut aus­ge­hen“? So sieht es der Kanz­ler. Oder muss die Bun­des­re­gie­rung doch schnel­ler, ent­schlos­se­ner und geschlos­se­ner han­deln als sie es tut? So for­dert es die Uni­on mit Fried­rich Merz. „Zuver­sicht kann man nicht ver­ord­nen“, hat dazu der Kanz­ler gesagt. „Anspruch und Wirk­lich­keit der Bun­des­re­gie­rung lie­gen aus­ein­an­der“, nennt es der CDU-Chef. In der Aus­spra­che zur Regie­rungs­er­klä­rung legt Merz die Ver­säum­nis­se der Scholz-Regie­rung offen. Gleich­zei­tig macht er die Posi­tio­nen der Uni­on deutlich.

Feh­len­de Ver­mitt­lung von Zuversicht

„Zuver­sicht kann man nicht ver­ord­nen. Zuver­sicht kann man auch nicht künst­lich her­bei­re­den“, bekräf­tigt Merz. „Zuver­sicht ent­steht dann, wenn die Men­schen Ver­trau­en in ihre Regie­rung haben.“ Er for­dert die Scholz-Regie­rung auf, sie muss dazu einen Plan haben, einen Kom­pass. Denn eine Regie­rung „gibt durch Taten Anlass zur Zuver­sicht, nicht durch Wor­te allein“. Sel­ten fal­len „Wor­te und Taten so sehr aus­ein­an­der“, wie bei die­ser Regie­rungs­er­klä­rung, wirft Merz dem Kanz­ler vor. 

„Es ent­behrt nicht einer gewis­sen Komik, dass Sie aus­ge­rech­net den bri­ti­schen His­to­ri­ker Timo­thy Gar­ton-Ash zitie­ren“, sagt Merz in Rich­tung Bun­des­kanz­ler. „Gar­ton-Ash hat­te sei­nem eng­li­schen Publi­kum vor eini­ger Zeit das Wort ‚schol­zen‘ ins Eng­li­sche über­setzt – mit ‚scholz­ing‘. Und scholz­ing hat er so inter­pre­tiert: gute Absich­ten kom­mu­ni­zie­ren, nur, um dann jeden erdenk­ba­ren Grund zu erfin­den, um die­se hin­aus­zu­zö­gern und zu verhindern.“

Zöger­lich­eit bei Euro­pa und NATO

Merz stellt aber auch einen Erfolg fest: „Euro­pa und die NATO sind zusam­men­ge­blie­ben. Das war kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich. Das ist ein Ver­dienst aller EU-Staa­ten und der NATO.“ Bei­de haben der Ukrai­ne sehr gehol­fen: „huma­ni­tär, mate­ri­ell, finan­zi­ell – und rich­ti­ger Wei­se auch militärisch.“ 

Merz kri­ti­siert aber, dass der Bun­des­kanz­ler die Hil­fen unmit­tel­bar hin­ter denen der USA ein­ord­net. Gemes­sen an der Wirt­schafts­kraft „haben eine gan­ze Rei­he von Län­dern – auch und gera­de in Euro­pa – deut­lich mehr geleis­tet als wir.“ Ins­be­son­de­re Ost­eu­ro­pa und das Bal­ti­kum sind dabei zu nen­nen, so Merz. Die­se Län­der haben gro­ße Sor­ge vor einer Aus­wei­tung des Angriffs auf ihre Ter­ri­to­ri­en. „Die­se Län­der haben Sie mit kei­nem ein­zi­gen Wort erwähnt.“

Zeit­ver­zug bei der Bundeswehr

„Sie las­sen auch den Bericht der Wehr­be­auf­trag­ten des Deut­schen Bun­des­tags uner­wähnt“, wirft Merz dem Kanz­ler vor. Die­se hat­te in die­ser Woche den aktu­el­len Wehr­be­richt vor­ge­legt – den Zustands­be­richt und die Bedarfs­lis­te der Bun­des­wehr. Titel die­ses Berich­tes ist: „Der Bun­des­wehr fehlt es an allem.“ 

Fakt ist: Aus dem Son­der­ver­mö­gen wur­de noch nichts für die Bun­des­wehr aus­ge­ge­ben. Dabei hat­te der Bun­des­tag gemein­sam 100 Mil­li­ar­den Euro Son­der­ver­mö­gen beschlos­sen. Merz: „Wenn fast ein Jahr danach noch kein Euro und kein Cent bei der Bun­des­wehr ange­kom­men sind, dann ist das ein Skan­dal, Herr Bun­des­kanz­ler, den Sie zu ver­ant­wor­ten haben.“

Mit dem neu­en Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter ver­bin­den sich zurecht Hoff­nun­gen und Erwar­tun­gen, sagt Merz. Er ergänzt: Es muss aber mehr neu kom­men als nur Per­so­nal im Minis­te­ri­um. „Sie müs­sen jetzt das Beschaf­fungs­we­sen grund­le­gend ändern, damit am Zustand der Bun­des­wehr wirk­lich etwas ver­än­dert wird.“

Streit in der Koalition

Der Bun­des­kanz­ler hat­te 2022 eine neue Natio­na­le Sicher­heits­stra­te­gie ange­kün­digt, „erst zum Herbst, dann zum Früh­jahr, dann zur Mün­che­ner Sicher­heits­kon­fe­renz“. Jetzt soll das Vor­ha­ben sei­tens der Bun­des­re­gie­rung nicht wei­ter ver­folgt wer­den. Offen­sicht­lich, „weil der Kom­pe­tenz­streit zwi­schen Kanz­ler­amt und Außen­mi­nis­te­ri­um nicht mehr auf­ge­löst wer­den kann“, so Merz. Ande­re Staa­ten neh­men die Her­aus­for­de­rung an und rich­ten sich stra­te­gisch neu aus. „Die deut­sche Bun­des­re­gie­rung strei­tet über Zuständigkeiten.“

„30 Vor­ha­ben der Koali­ti­on lie­gen auf Eis, weil sie kei­ne Eini­gung erzie­len“, zählt Merz auf. Inner­halb der Bun­des­re­gie­rung gibt es zusätz­li­che Aus­ga­ben­wün­sche von 70 Mil­li­ar­den Euro. Die Abstim­mung zum Etat ist geplatzt. Beim – „soge­nann­ten“ – Bil­dungs­gip­fel waren nur drei Kul­tus­mi­nis­ter anwe­send. Die ande­ren blie­ben zu Hau­se, „weil sie es als sinn­los emp­fun­den haben, zu einer sol­chen Ver­an­stal­tung nach Ber­lin zu kommen“.

Ver­sa­gen in der EU-Führungsrolle

Deutsch­land nimmt sei­ne füh­ren­de Rol­le in der EU nicht wahr, wirft Merz der Regie­rung vor. „In Brüs­sel spricht man vom ‚Ger­man vote‘“, sagt Merz. Gemeint ist: Ent­hal­tung bei den meis­ten Abstim­mun­gen. Die Ursa­che: Die Bun­des­re­gie­rung ist sich uneins, wie sie abstim­men soll. Als Bei­spiel nennt er die Debat­te um E‑Fuels: 2022 schien die Ent­schei­dung gefal­len, 2023 ist alles offen. „Was macht die­se Bun­des­re­gie­rung eigent­lich in Brüs­sel?“ In der Sache habe Herr Wis­sing Recht, so Merz. Das hat die Uni­on auch immer so gesagt. Die Scholz-Regie­rung wäre gut bera­ten, „eben nicht auf den Ver­bren­ner zu ver­zich­ten, son­dern tech­no­lo­gie­of­fen in die Mobi­li­tät der Zukunft zu gehen“. 

So wür­de es auch von Drit­ten ver­tre­ten. Juli­an Nida-Rüme­lin und Ernst-Ulrich von Weiz­sä­cker hät­ten geschrie­ben: „Wir müs­sen von Deutsch­land aus Tech­no­lo­gien ver­tre­ten, die auch in den weni­ger gut ent­wi­ckel­ten Län­dern die­ser Welt ange­wen­det wer­den kön­nen.“ Sie nen­nen die E‑Fuels „eine mora­li­sche Pflicht“ Deutsch­lands gegen­über die­sen Län­dern. Man dür­fe nicht immer nur auf das eige­ne Land schauen.

Kon­zept­los bei Asyl und Einwanderung

Zur Ein­wan­de­rung weist Merz auf einen jetzt doch noch geplan­ten Gip­fel am 10. Mai im Kanz­ler­amt hin. Lan­ge hat­te die Uni­on dar­auf gedrängt. Der Ter­min ist viel zu spät, so Merz. Schon lan­ge sagen die Ver­tre­ter aus Län­dern und Kom­mu­nen dem Bun­des­kanz­ler, dass die Auf­nah­me­mög­lich­kei­ten erschöpft sind. „Und sie bekom­men aus dem Kanz­ler­amt auf ihre Brie­fe noch nicht ein­mal eine Ant­wort.“ Die­ser Umgang ist unan­ge­mes­sen, so Merz. 

Der Dank an die Kom­mu­nen nützt nichts, so Merz, „wenn Sie nicht die nöti­gen Ent­schei­dun­gen tref­fen, die dafür sor­gen, dass der Zuzug an ille­ga­ler Migra­ti­on nach Deutsch­land gestoppt wird – jeden­falls deut­li­cher begrenzt wird, als dies gegen­wär­tig der Fall ist“. Dafür braucht es Ent­schei­dun­gen statt end­lo­ser Debat­ten. Merz ver­weist auf den Bun­des­tags­be­schluss zu den siche­ren Her­kunfts­län­dern, des­sen Umset­zung bis heu­te an den Grü­nen schei­tert. „Dann wäre ein gro­ßer Teil des Pro­blems aus die­sen Regio­nen gelöst.“

„Sie ver­men­gen Ein­wan­de­rung und Asyl­ver­fah­ren“, wirft Merz der Scholz-Regie­rung vor. „Wir machen Ihnen einen sehr kon­kre­ten Vor­schlag, wie man das lösen kann: Wir wol­len Asyl­ver­fah­ren und Ein­wan­de­rungs­ver­fah­ren strikt tren­nen.“ Ver­fah­ren zur Ein­wan­de­rung in den Arbeits­markt müs­sen vom ers­ten Tag an voll­stän­dig digi­ta­li­siert statt­fin­den. Aus­län­der- und Asyl­be­hör­den müs­sen von die­sem Ver­fah­ren ent­las­tet wer­den. Die Aus­lands­ver­tre­tun­gen haben zur­zeit 40 000 Anträ­ge anhän­gig und sind völ­lig über­as­tet. Merz: „Das Pro­blem liegt bei Ihnen und Ihrer Regie­rung, Herr Bun­des­kanz­ler, und nicht bei denen, die in Deutsch­land Arbeits­plät­ze brauchen.“

Lücke zwi­schen Anspruch und Wirklichkeit

Der CDU-Vor­sit­zen­de stellt fest: „Nicht nur Anspruch und Wirk­lich­keit der Bun­des­re­gie­rung lie­gen aus­ein­an­der. Bei Ihnen fal­len mitt­ler­wei­le Selbst­wahr­neh­mung und die tat­säch­li­che Lage im Land in fast schon besorg­nis­er­re­gen­der Wei­se aus­ein­an­der.“ Die Scholz-Regie­rung ver­liert den Bezug zur Rea­li­tät in Deutsch­land, so Merz.

Die Rede des CDU/C­SU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den hören Sie hier.

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