Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
ich denke es ist nicht vermessen zu behaupten, dass wir alle unzufrieden mit dem Haushalt sind, den wir hier heute verabschieden sollen.
Überall scheint in unserer Stadt der Mangel vorzuherrschen: zu wenig Personal, zu wenig Geld und schon gar nicht genug Zeit, alle Probleme anzugehen. Auch unsere Fraktion ist unzufrieden mit der Lage, wie sie ist. Jedoch: leider müssen wir auch feststellen, dass sich die Realität dieses allgegenwärtigen Mangels nicht durch einen Ratsbeschluss verändern lässt.
Auch nur darauf zu verweisen, dass Land und Bund mehr für die finanzielle Ausstattung von Kommunen wie unserer Klingenstadt tun müssten, helfen uns keinen Deut weiter. Denn eines muss uns klar sein: Mehr Geld allein ist nicht die Lösung des Problems. Unabhängig davon, was in Düsseldorf, Berlin und Brüssel passiert, müssen wir in Solingen unsere Hausaufgaben erledigen.
Angesichts der aktuellen Umstände ist der vorliegende Haushaltsentwurf wohl immer noch der beste Kompromiss, den wir derzeit erzielen können. Deshalb unterstützt auch unsere Fraktion diesen Entwurf. Dennoch möchten wir der Verwaltung drei wesentliche Punkte ins Hausaufgabenheft schreiben.
Erste Hausaufgabe: Tut etwas gegen die täglichen Probleme der Menschen in unserer Stadt!
Leserbriefe sind mittlerweile aus der Mode gekommen und wurden von der Kommentarfunktion bei Facebook weit abgehängt. Wir sehen hier immer wieder den Spiegel der Sorgen der Menschen in unserer Stadt. Und oftmals sind es die kleinen Dinge, die für die Menschen große Bedeutung haben können.
Uns ist allen klar, dass wir nicht von heute auf Morgen Kita- oder Pflegeplätze herbeizaubern können. Die Menschen in unserer Stadt wenden sich dafür an uns, wenn sie jeden Tag auf dem Heimweg an derselben Stelle im Stau stehen … oder auf dem Weg zum Sport der Kinder zusätzlichen Zeitpuffer einplanen müssen … oder wenn sie keine Parkplätze mehr in ihrer unmittelbaren Umgebung finden … oder wenn die Schlaglochpisten auf den Straßen den Alltag durchschütteln.
Unsere Fraktionen mahnen immer wieder Konzepte an, um den täglichen Herausforderungen zu begegnen. Verkehrskonzepte für die Innenstadt und Ohligs, Radverkehrskonzepte, Parkraumkonzepte und so weiter.
Wir möchten der Verwaltung mit diesem Haushalt die Gelegenheit geben, die angekündigten Konzepte endlich auch zu liefern. Der Haushaltsentwurf sieht für Planungskosten, Studien und Gutachten im Verkehrsbereich Ausgaben von über 800.000 Euro vor. Wir freuen uns auch über die Unterstützung der anderen Fraktionen für unseren Vorschlag, zusätzlich 200.000 Euro aus dem Marketingbudget des Oberbürgermeisters für die Fertigstellung von Verkehrskonzepten zur Verfügung zu stellen
Wir erwarten jedoch auch ganz klar, dass nicht nur die Konzepte geliefert werden, sondern dass sie dann auch umgesetzt werden. Und zwar mit Priorität. Getreu Erich Kästners altem Motto: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Und unsere Fraktion wird dafür sorgen, dass sich etwas tut!
Zweite Hausaufgabe: Entwickelt die Stadt als Konzern weiter!
Herr Kurzbach hatte angekündigt, mit fortschreitender Digitalisierung der Verwaltung Arbeitsplätze abzubauen. Seit 2015 haben wir jedoch einen Zuwachs von 300 Vollzeitstellenäquivalenten allein in der Kernverwaltung. Sicherlich ist jede Stelle für sich genommen zu rechtfertigen. Und wir alle wissen, dass es immer noch zahlreiche Bereiche gibt, die absolut unterbesetzt sind. Die Antwort kann aber auch hier nicht darin liegen, noch mehr Personal einzustellen. Stattdessen erwarten wir von der Verwaltungsleitung einen klaren Plan, in welchen Strukturen die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stadt arbeiten sollen.
Digitalisierung kann dabei nur unterstützend wirken. Als attraktive Arbeitgeberin muss die Stadt mehr als das bieten. Nehmen wir die alte Debatte um die Verwaltungsstandorte: Vor vier Jahren wurde der Zustand des Verwaltungsgebäudes an der Bonner Straße noch als katastrophal dargestellt, heute soll es ein Paradies für junge und innovative Arbeitskräfte sein. Das ist nicht nachvollziehbar und lässt daher auch an den Aussagen der Verwaltung zweifeln, es ist nicht glaubhaft. Auch die Anmietung eines hippen Co-Working-Spaces in Ohligs – viel Steuergeld für wenige Mitarbeitende – kann darüber nicht hinwegtäuschen.
Für unsere Fraktion liegt im Konzerngedanken der Stadt mit den vielen städtischen Gesellschaften eine Gelegenheit, durch eine ganzheitliche Ausrichtung ein attraktives Arbeitsumfeld für die Mitarbeitenden und auch damit Synergien für den städtischen Haushalt zu schaffen. Wir machen die Stadt für Arbeitskräfte nicht allein dadurch attraktiver, indem wir einen Tischkicker und Obstkörbe in den Flur stellen. Wir brauchen effektive Arbeitsabläufe, in denen sich die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entfalten können.
Das heißt:
- Wir bauen Doppelstrukturen im Konzern ab; dort – wo es rechtlich möglich ist – sollen zentrale Verwaltungseinheiten alle Konzernteile mitbeliefern; beispielsweise im Marketing.
- Wir bieten ein gemeinsames Raumkonzept an; Besprechungsräume aber auch freie Arbeitsplätze sollten im gesamten Konzern zugänglich gemacht – und vor allem bei künftigen Bauprojekten mitgedacht – werden.
- Wir machen klare Zielvorgaben und Rahmenbedingungen für HomeOffice – das schafft Verbindlichkeit nicht nur für die Planung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst, sondern auch für diejenigen, die ein Anliegen an die Verwaltung haben.
Mit der Weiterentwicklung der städtischen Verwaltungsstruktur stärken wir nicht nur die Anziehungskraft für Fachkräfte, sondern betreiben Verwaltung auch wieder als das, was sie eigentlich ist: Ein Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Und … damit sich in Zukunft kein IHK-Präsident mehr über die Bearbeitungsdauer von Bauanträgen beschweren muss. Wie das Personal eingesetzt wird, dafür ist in letzter Konsequenz unser Hauptverwaltungsbeamter verantwortlich.
Apropos IHK:
Dritte Hausaufgabe: Kümmert euch um die Arbeitsplätze!
Noch so eine politische Selbstverständlichkeit, die gleichzeitig jede Menge Kontroversen hervorruft. Wir meinen damit keineswegs, dass das hiesige Unternehmertum zusätzlich protegiert werden solle – denn da können wir zweifelsfrei sagen und es ist schon in der Presse aufgefallen, dass unser Oberbürgermeister sich stets sehr hingebungsvoll um einzelne Unternehmen kümmert.
Solingen ist aber eine Stadt des steten Strukturwandels. Diesen gilt es aktiv zu gestalten. Ein stabiles wirtschaftliches Fundament basiert auf einem gesunden Branchenmix. Dazu gilt es Abhängigkeiten von einzelnen Branchen, wie der Automobilindustrie oder IT, zu reduzieren und vielfältige Unternehmensarten anzuziehen. Auch hier kommt es auf die Rahmenbedingungen und politische Führung an. Dazu müssen wir die Wirtschaftsförderung und die Stadtentwicklungsgesellschaft in den Fokus nehmen.
Auch hier gilt die Devise: Doppelstrukturen abbauen! Wir wollen die Wirtschaftsförderung zu einer umfassenden Dienstleisterin entwickeln, die für Unternehmen als Lotsin in der Stadt agiert. Dazu gehören beispielsweise Beratungen zu Standort- oder Förderfragen genauso wie Unterstützung bei der Kommunikation mit der Stadtverwaltung. Das gilt übrigens im gleichen Maße für Neugründungen genauso wie für Bestandsunternehmen. Auch hier helfen klare Zielvorgaben, auf Erfolge hinzuarbeiten und den gewünschten nachhaltigen Branchenmix für unsere Stadt zu erreichen.
Am Ende schaffen Klarheit und Verlässlichkeit Vertrauen bei Investoren jeglicher Art genauso wie bei den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt. Dazu gehören auch Steuerstabilität und die Gewissheit, dass die gezahlten Steuern auch einen qualitativen Gegenwert haben. Also sorgen wir wieder dafür, dass der Gegenwert nicht die Mangelverwaltung ist.
Herr Oberbürgermeister,
diese Hausaufgaben haben es zweifelsfrei in sich. Aber ich habe auch drei gute Nachrichten für Sie:
- sind Sie bei der Bewältigung nicht alleine! Unsere Fraktion wird weiterhin Impulse für Sie liefern und auch gerne Korrekturen an Ihrer Arbeit vornehmen.
- sind die drei Aufgaben ohnehin miteinander verknüpft! Wir sind uns sicher, dass wenn Sie hier und da ein paar repräsentative Termine an die Bürgermeister abgeben, werden Sie ruckzuck schon ganz viele Lösungen präsentieren können.
Und last but not least, Sie haben schon in einem halben Jahr die Möglichkeit, mit der Einbringung des Haushalts 2024 uns eines Besseren zu belehren! Zeigen Sie uns Ihre Pläne und wie Sie Solingen wieder voran bringen wollen. So ganz ohne dabei in Solingen-Depression zu verfallen – wie es Ihre sozialdemokratischen Genossen so gerne nennen.
Eines steht aber auch für unsere Fraktion fest: werden die Hausaufgaben nicht erledigt, ist die Versetzung akut gefährdet!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Hier gibt es die Medienmitteilung im Original: Haushaltsrede vom 23. März 2023