Mehr Tem­po und Mut bei der ÖRR-Reform

Veröffentlicht am 31. März 2023

Debat­te zum öffent­lich-recht­li­chen Rundfunk

Das Foy­er des Kon­rad-Ade­nau­er-Hau­ses wirkt an die­sem Don­ners­tag in Tei­len wie ein gro­ßes Wohn­zim­mer. Ses­sel zwi­schen den Stüh­len. TV-Gerä­te an den Wän­den. Das Set­ting, wie es neu­deutsch heißt, wird der Ver­an­stal­tung gerecht: Die CDU dis­ku­tiert Refor­men von ARD und ZDF. Die Fra­ge dazu: Wohin geht die Rei­se? Die Gast­re­fe­ren­ten zei­gen, dass die Debat­te offen geführt wird: Rei­ner Hasel­off ist Vor­sit­zen­der der Kom­mis­si­on zur Reform des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks in der CDU. Kai Gniff­ke ist Inten­dant des Süd­west­rund­funks und Vor­sit­zen­der der ARD. Claus Gre­we­nig ist Medi­en­po­li­tik­lei­ter bei RTL Deutsch­land und Vor­stands-Chef von Vau­net. Bet­ti­na Schaus­ten ist Chef­re­dak­teu­rin des ZDF. Auch in zwei Foren wird inten­siv diskutiert.

Mario Cza­ja: Der Blick von außen hilft fast immer.

„Wir haben die Kom­mis­si­on ein­ge­rich­tet, um die Türen auf­zu­ma­chen und Luft rein­zu­las­sen, um uns mit der Zukunft des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks zu beschäf­ti­gen“, sagt CDU-Gene­ral­se­kre­tär Mario Cza­ja zur Begrü­ßung. Das Ziel der CDU: ist: „Wir wol­len gute pri­va­te Medi­en. Und wir wol­len einen guten öffent­lich-recht­li­chen Rundfunk.“

„Wir wol­len einen guten öffent­lich-recht­li­che Rund­funk. Wir wol­len, dass er sei­nem Infor­ma­ti­ons­auf­trag nach­kommt, nicht einem Mei­nungs­auf­trag.“ Mario Cza­ja

„Wir alle wis­sen und spü­ren, dass sich die Medi­en­land­schaft ver­än­dert hat. Der Medi­en­kon­sum, die Medi­en ins­ge­samt ste­hen unter gro­ßem Ver­än­de­rungs­druck.“ Sozia­le Medi­en gewin­nen an Bedeu­tung, gleich­zei­tig grei­fen Hate-Speech und Fake News objek­ti­ve Infor­ma­tio­nen an. „Die Bür­ger müs­sen mitt­ler­wei­le gut recher­chie­ren, um die Wahr­heit zu erken­nen“, sagt er.

CDU-Gene­ral­se­kre­tär Mario Cza­ja führt in die Ver­an­stal­tung ein. (Foto: Anika Nowak)

In die­ser Gemenge­la­ge muss auch der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk neue Ant­wor­ten suchen: „Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger haben Ver­trau­en ver­lo­ren. Das macht uns Sor­gen. Wir wol­len, dass der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk sei­nem Infor­ma­ti­ons­auf­trag nach­kommt, nicht einem Mei­nungs­auf­trag.“ Gera­de die Men­schen im Osten haben ein fei­nes Gespür für fai­re und gute Nach­rich­ten und Infor­ma­tio­nen, so Cza­ja. Sie leh­nen es ab, „wenn Medi­en etwas von oben her­ab sagen.“ In Zei­ten von Res­sour­cen­knapp­heit ist es auch nötig, das Nach­rich­ten­an­ge­bot, die Nach­rich­ten­fül­le immer wie­der zu hin­ter­fra­gen, bekräf­tigt der CDU-Gene­ral­se­kre­tär. Und dar­über wol­le man jetzt sprechen.

Rei­ner Hasel­off: Wir haben die Ver­ant­wor­tung für ein gutes Miteinander.

„Wir als Ver­tre­ter des Staa­tes haben die Ver­ant­wor­tung, dass das alles in gedeih­li­chem Mit­ein­an­der pas­siert.“ Der Minis­ter­prä­si­dent aus Sach­sen-Anhalt macht den Dis­kus­si­ons­be­darf deut­lich: Gera­de im Zeit­al­ter von Fake News und Hate Speech braucht es gut recher­chier­te und aus­ge­wo­ge­ne Infor­ma­tio­nen und Nach­rich­ten. Aber haus­ge­mach­te Skan­da­le und stei­gen­de Rund­funk­ge­büh­ren haben die Glaub­wür­dig­keit und Akzep­tanz des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks erschüt­tert. Auf ihrem letz­ten Par­tei­tag hat­te die CDU des­halb beschlos­sen, dass sich der ÖRR refor­mie­ren muss. Dafür soll unter ande­rem mit der aktu­el­len Ver­an­stal­tung nach Wegen gesucht werden.

Sach­sen-Anhalts Minis­ter­prä­si­dent Rei­ner Hasel­off legt Grund­sät­ze und Auf­trä­ge einer ÖRR-Reform aus CDU-Sicht dar. (Foto: Anika Nowak)

„Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger sind beson­ders gefor­dert, sich zu infor­mie­ren. Dafür ist ein plu­ra­les Ange­bot nötig. Aber auch die Gewiss­heit, dass das, was berich­tet wird, der Wahr­heit ent­spricht.“ Rei­ner Haseloff

Hasel­off bekräf­tigt: „Wir brau­chen eine Medi­en­land­schaft, die die Grund­ord­nung sta­bil hält und die Ent­wick­lungs­ten­den­zen auf­nimmt. Damit wir gemein­sam die Chan­ce haben, die Demo­kra­tie zu sichern.“ Das müs­sen alle Ver­ant­wort­li­che im Blick und zum Ziel haben. Daher muss man auf Ent­wick­lun­gen mehr denn je reagie­ren. Auf­trag und Leis­tung müs­sen abge­gli­chen wer­den. Hasel­off stellt aber auch die Fra­gen: „Ist die ver­pflich­ten­de Bei­trags­zah­lung mit der ent­spre­chen­den Leis­tung in einem adäqua­ten Ver­hält­nis? Ist das, was im Grund­ge­setz garan­tiert ist, auch gewähr­leis­tet?“ Unver­rück­bar ist: Man muss immer Pres­se­frei­heit und die Frei­heit der Medi­en gewähren. 

Kai Gniff­ke: Eine Debat­te kann nur gut sein.

„Wenn eine Par­tei wie die CDU sich mit dem öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk beschäf­tigt, kann das nur gut sein“, sagt Kai Gniff­ke. Der Inten­dant des Süd­west­rund­funks und Vor­sit­zen­der der ARD berich­tet über den Stand der Refor­men bei ARD und ZDF. Er rich­tet eine dring­li­che Bit­te an alle: „Tra­gen Sie unse­ren Reform­kurs mit. Ich erwar­te – natür­lich – kei­nen Blankoscheck.“

Der Vor­sit­zen­de der ARD, Kai Gniff­ke, stellt die posi­tio­nen sei­nes Hau­ses vor. (Foto: Anika Nowak)

Gniff­ke betont: „Es gibt kei­ne Tabu­zo­nen. Wir stel­len alles auf den Prüf­stand. Aber ist gibt Leit­plan­ken, unver­han­del­ba­re Grund­prin­zi­pi­en.“ Drei Punk­te nennt er ausdrücklich:

Die Regio­nal­bü­ros der ARD zäh­len zum Grund­an­ge­bot und bleiben.
Die jour­na­lis­ti­sche Viel­falt muss auch künf­tig gewähr­leis­tet sein.
„Wir sind und blei­ben ein Anbie­ter für Video und Audio.“

„Es gibt kei­ne Tabu­zo­nen. Wir stel­len alles auf den Prüf­stand. Aber ist gibt Leit­plan­ken, unver­han­del­ba­re Grund­prin­zi­pi­en.“ Kai Gniff­ke

Der Auf­trag von ARD und ZDF lau­tet, „alle in Deutsch­land zu ver­sor­gen.“ Man darf die Erreich­bar­keit der Men­schen in Deutsch­land nicht den Algo­rith­men ame­ri­ka­ni­scher Unter­neh­men über­las­sen, so Gniff­ke. Das Reform­ziel ist daher vor­ran­gig: mehr gemein­sa­me Sen­de­stre­cken, mehr gemein­sa­me Sen­dun­gen, mehr gemein­sa­me Bei­trä­ge. „Das klingt immer ein­fach. Aber wenn es kon­kret wird, wird es schwierig.“

Gniff­ke räumt ein, dass es zu vie­le digi­ta­le Kanä­le gibt: Die ARD will daher einen digi­ta­len Kanal ein­stel­len. Social-Media soll sogar dras­tisch gekürzt wer­den, geht es nach Gniff­ke um bis zu 50 Pro­zent. Gleich­zei­tig sol­len Redak­tio­nen zusam­men­ge­legt wer­den. Doch es gibt Bedin­gun­gen für die Refor­men. „Auch wenn wir die­se Ent­schei­dun­gen tref­fen, müs­sen alle unse­re Stake­hol­der dazu ste­hen“, stellt Gniff­ke klar. 

Gniff­ke sichert zu: „Die ARD wird klei­ner: um 0,5 Pro­zent im Bereich Per­so­nal jedes Jahr. Sie wird hof­fent­lich nicht schlech­ter; wir wer­den ver­su­chen, unse­ren Auf­trag zu erfül­len.“ Dazu wer­den Trans­pa­renz- und Com­pli­ance-Regeln ver­stärkt. „Die Medi­en­land­schaft in Deutsch­land ist Welt­klas­se.“ Das hat wesent­lich zur sta­bi­len Demo­kra­tie bei­getra­gen, stellt Gniff­ke fest. „Und des­halb arbei­te ich auch jeden Tag für jour­na­lis­ti­sche Vielfalt.“

Claus Gre­we­nig: Den Fin­ger in die Wun­de legen.

Claus Gre­we­nig lobt im Kon­rad-Ade­nau­er-Haus die aktu­el­le Debat­te, die die CDU ange­sto­ßen hat: „Es ist wei­ter wich­tig, den Fin­ger da in die Wun­de zu legen, wo Pro­ble­me sicht­bar sind.“ Der Medi­en­po­li­tik­lei­ter bei RTL Deutsch­land und Vor­stands-Chef von Vau­net, sagt: „Posi­tiv ist, dass die Medi­en­po­li­tik aus ihrer Nische herauskommt.“

Claus Gre­we­nig for­dert glei­che Chan­cen für die Pri­vat­sen­der. (Foto: Anika Nowak)

„Es ist wei­ter wich­tig, den Fin­ger da in die Wun­de zu legen, wo Pro­blem sicht­bar sind.“ Claus Gre­we­nig

Jour­na­lis­mus muss gestal­ten, sagt er. „Sonst wer­den wir gestal­tet.“ Dazu zählt auch ein geord­ne­ter Neu­start. Man kann nicht auf den öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk schau­en, ohne die Pri­va­ten in den Blick zu neh­men, bekennt er. „Die Poli­tik muss am Ende alle zusam­men­bin­den.“ Fünf Punk­te stellt er in den Mit­tel­punkt sei­ner Überlegungen:

Die Pri­va­ten haben immer sofort wirt­schaft­li­chen Druck. Poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen – wie ange­dach­te Wer­be­ver­bo­te für Zucker­pro­duk­te – tref­fen die­se Sen­der sofort.
„Wer die Finan­zen von ARD und ZDF sta­bil hal­ten will, muss deren Auf­trag begren­zen“, sagt er und fragt: Braucht es wirk­lich über 60 Schlagerwellen?
Wer­bung im ÖRR muss kon­se­quent redu­ziert werden.
Die Zahl der kom­mer­zi­el­len Toch­ter­un­ter­neh­men des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks muss ein­ge­dämmt werden.
Der Umfang bei Sport­rech­ten und Events kann bei ARD und ZDF redu­ziert wer­den. Der­zeit lie­ge die­ser bei rund 400 Mil­lio­nen Euro im Jahr. 

Die Ände­run­gen kom­men nicht ohne Druck von außen, so sein Fazit: „Wir brau­chen eine akti­ve Auf­nah­me des Gestal­tungs­auf­trags in der Politik.“

Bet­ti­na Schaus­ten: Der Ver­än­de­rung wur­de gestartet.

ZDF-Chef­re­dak­teu­rin Bet­ti­na Schaus­ten bricht eine Lan­ze für das ZDF: Der Sen­der lie­fert viel Infor­ma­ti­on und steht für Qua­li­täts­jour­na­lis­mus als Grund­la­ge zur Mei­nungs­bil­dung, sagt sie. Schon seit Jah­ren set­zen sich alle Ver­ant­wort­li­chen inten­siv mit denen aus­ein­an­der, die die Gebüh­ren bezah­len. Das ZDF hat dazu neue For­ma­te ins Leben geru­fen, die in die Zukunft weisen.

ZDF Chef­re­dak­teu­rin Bet­ti­na Schaus­ten begrün­det die neu­en Ange­bo­te des ZDF. (Foto: Anika Nowak)

„Wir neh­men auch von der Gene­ra­ti­on, Insta­gram und Tik­Tok Geld – des­we­gen müs­sen wir sie auch errei­chen. Im digi­ta­len Raum und zu ihren The­men.“ Bet­ti­na Schausten

Um auch jun­ge Nut­zer für sich zu gewin­nen und an sich zu bin­den, braucht es neue Ange­bo­te: Das ZDF hat die Ange­bo­te dazu the­ma­tisch und in der Form ver­än­dert. Der Sen­der will vor allem den Jün­ge­ren dort begeg­nen, wo sie unter­wegs sind – auf den digi­ta­len Platt­for­men. ARD und ZDF haben dafür ein gemein­sa­mes Strea­ming­netz­werk gestar­tet. Mit ZDF-Live wur­de ein For­mat geschaf­fen, das den direk­ten Aus­tausch mit Zuschaue­rin­nen und Zuschau­ern mög­lich macht.

Sämt­li­che Ver­än­de­run­gen wur­den ohne zusätz­li­ches Per­so­nal gestar­tet, betont Schaus­ten. Und sie wer­den von den Zuschau­ern ange­nom­men. Der Beleg für die Qua­li­tät zeigt sich aus Sicht von Schaus­ten auch im Nut­zer­ver­hal­ten: 70 Pro­zent der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ver­trau­en den öffent­lich-recht­li­chen Sen­dern. Im Osten und im Wes­ten ist das ZDF nach wie vor Markt­füh­rer bei den Zuschauern.

Sie infor­mier­ten und dis­ku­tier­ten bei der CDU. (Foto: Anika Nowak)

Podi­ums- und Publi­kums­dis­kus­si­on: Mehr Tem­po bei Reformen!

Über drei Stun­den dau­ert die Ver­an­stal­tung. Das Publi­kum im Kon­rad-Ade­nau­er-Haus ist kri­tisch. „Kei­nes der heu­te vor­ge­brach­ten Argu­men­te ist neu“, sagt etwa Stef­fen Kam­pe­ter, Haupt­ge­schäfts­füh­rer der Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de. Mehr Mut bei den Refor­men und mehr Tem­po – das ist der Tenor des Nachmittags. 

Auch in den hoch­ka­rä­tig besetz­ten Podi­en zu Struk­tur und Auf­trag des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks wird das deut­lich. Im Talk mit Pro­fes­sor Jus­tus Hau­cap, ARD-Gene­ral­se­kre­tä­rin Susan­ne Pfab und Chris­tia­ne Schen­der­lein mahnt Oli­ver Schenk, Chef der säch­si­schen Staats­kanz­lei: „Sor­tie­ren, ein­ord­nen, dis­ku­tie­ren: Das ist die Auf­ga­be des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks – und nicht Lager­bil­dung.“ Einen ande­ren Aspekt bringt CDU-Mit­tel­stands­che­fin-Che­fin Git­ta Con­ne­mann ins Spiel: „Der Auf­trag des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks muss lau­ten: Qua­li­tät vor Quo­te.“ Im Podi­um mit Bir­git Went­zi­en, Chef­re­dak­teu­rin des Deutsch­land­funks, und Claus Gre­we­nig erhält sie dafür Unter­stüt­zung von Medi­en­recht­ler Pro­fes­sor Huber­tus Gers­dorf: „Es gibt kei­nen Anspruch auf Quo­ten­ori­en­tie­rung, son­dern der spe­zi­fi­sche Auf­trag des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks besteht gera­de dar­in, ein Gegen­ge­wicht zur kom­mer­zi­el­len Sei­te zu sein und muss nicht immer nur nach Reich­wei­te schauen.“ 

So bleibt von der Dis­kus­si­on die Erkennt­nis, dass noch viel Arbeit vor Poli­tik und den Öffent­lich-Recht­li­chen liegt. Minis­ter­prä­si­dent Hasel­off fasst es so zusam­men: „Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk lebt von der Akzep­tanz durch die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger. Wir dür­fen daher im Reform­pro­zess des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks jetzt kei­ne fal­schen Signa­le set­zen. Ech­te Refor­men brau­chen offe­ne Dis­kus­sio­nen.“ Der Nach­mit­tag im Kon­rad-Ade­nau­er-Haus war dafür ein guter Beitrag. 

__Eine Zusam­men­fas­sung der Ver­an­stal­tung im Video sehen Sie hier.__

Die Ver­an­stal­tunng in vol­ler Län­ge zum Nach­se­hen gibt es hier.

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