Hier gehts zum Antrag unserer Fraktion: Änderungsantrag zum Klimakonzept “Nachhaltiges Solingen”
„Think global, act local“ – dieser Leitspruch wird gerne genutzt, um bewusst „nachhaltiges“ Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern anzuregen. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass die Stadt Solingen– insbesondere die Verwaltungsspitze – die zweite Hälfte des Satzes nicht vollends verinnerlicht hat. Denn außer wohlfeilen Papieren und hübschen Fototerminen ist in Solingen wenig Substantielles für den Klimaschutz getan worden. Es wird Zeit, dass die Stadt(-verwaltung) vom Denken ins Handeln kommt.
Dieser Beschluss unternimmt den Versuch, den Fokus – und damit die Priorität des Verwaltungshandelns – auf ebenjene Bereiche zu setzen, in denen die Stadt unmittelbaren Zugriff hat (zumindest durch städtische Betriebe). Denn mit Zielen, die die Verantwortung letztlich in private Hände geben – Änderungen im Mobilitäts- und Konsumverhalten, energetische Sanierungen der eigenen vier Wände, etc. – bürdet unsere Stadt nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern eine erhebliche Last auf, sie verliert auch die eigene Kontrollfähigkeit, den selbst gesteckten Zielen der Klimaneutralität nachzukommen.
Dazu passt, dass die wesentlichen „Erfolge“ Solingens bei der Reduktion von Treibhausgasen auf Private zurückzuführen sind. Insbesondere Solingens Unternehmen haben ihre umweltpolitischen Hausaufgaben erledigt – das zeigt die Treibhausgasbilanz von 2023. Lediglich die Stadt – das heißt die Kommunalverwaltung – bleibt hinter den eigenen Zielen zurück. Von einer Vorbildfunktion ist die Stadt weit entfernt. Daran ändern auch „Stadtradeln“ und Verweise auf eine desaströse Haushaltslage nichts. Selbst Auszeichnungen wie der European Energy Award sind unter diesen Umständen bestenfalls als Windowdressing zu bezeichnen. Denn solange keine verbindlichen Maßnahmen ergriffen werden, um die großen Emissionsursachen anzugehen, sind die 100-prozentige Elektrifizierung des Busverkehrs oder die Umgestaltung von Vorgärten Tropfen auf einen immer heißer werdenden Stein.
Das vorgelegte Klimakonzept ist eine gute Grundlage insbesondere zur Quantifizierung der Notwendigkeit weiterer Maßnahmen. Gleichzeitig stellen wir auch hier unzureichende Verbindlichkeit von Maßnahmen fest. Hier erwarten wir von der Verwaltung, diese Verbindlichkeit sowohl in (terminierten) Maßnahmen als auch in innerhalb der Verwaltung definierten Verantwortung alsbald herzustellen.
Erschwerend kommt hinzu, dass notwendige Investitionen im Konzeptpapier zwar ebenfalls quantifiziert sind, die Finanzierung aber offen ist – eine Problematik, die nicht nur Solingen betrifft. Auch wenn die Wirtschaftlichkeit der Investitionen deutlich sind, bleibt die Finanzierung eine Herausforderung für den kommunalen Finanzplan. Umgerechnet müssten etwa 30.000 Euro pro Solinger investiert werden; 2.000 Euro pro Jahr pro Bürger. Neben dem städtischen Haushalt werden auch die städtischen Töchter – SWS und TBS – Lösungen für die Finanzierung brauchen. Um diese Herausforderung zu bewältigen, soll auch die klare Priorisierung beitragen.
Die im Beschluss gewählte Priorisierung bringt sowohl die umweltpolitische als auch wirtschaftliche Dimension der Maßnahmen übereinander. Während Investitionen in die Stromerzeugung und ‑übertragung besonders wirtschaftlich sind und den größten Beitrag zur klimapolitischen Zielerreichung leisten, sind die Vorzeichen bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur umgekehrt.
An dieser Stelle soll erneut betont werden, dass es sich hierbei um einen politischen Beschluss zur strategischen Zielsetzung handelt – wie in § 41 Absatz 1 Buchstabe u GO NRW definiert. Dieser Beschluss soll leitgebend für das weitere Verwaltungshandeln sein. Sollte die Verwaltung von der hier beschlossenen Priorisierung abweichen, so ist dies erklärungsbedürftig. Angesichts der gesellschaftlichen Relevanz der Debatte(n) zur Klimaneutralität ist es für das Vertrauen in unsere Demokratie von immenser Wichtigkeit, dass diese politischen Beschlüsse gefasst und respektiert werden. Deshalb sind für die einzelnen Aspekte dieses Beschlusses die (Rück-) Verweisung auf die beratenden Ausschüsse und damit zum Rat festgehalten. Die zahlreichen Themen sollen und dürfen mit diesem Beschluss nicht aus der öffentlichen, politischen Debatte verschwinden, sondern in regelmäßigen Abständen wieder auf die Tagesordnungen gesetzt werden. Gleichzeitig ist neben der regelmäßigen Beratung der Themen in den zuständigen Ausschüssen auch Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern geboten, die über ihre Strom- und Gebührenrechnungen sowie nicht zuletzt durch ihre Steuern einen signifikanten Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur leisten. Wir halten es daher für geboten, dass die Ziele und die jeweilige Zielerreichung sowie deren Prognose für die Öffentlichkeit jederzeit nachvollziehbar sein sollten.
Nicht nur, aber auch aus diesem Grund ist der Aufbau eines adäquaten Controllings unerlässlich. Dieses muss dann auch öffentlich über die tatsächlichen Erfolge – und Nicht-Erfolge – berichten. Möglicherweise ist das Management-Tool des European Energy Awards hierzu eine geeignete Grundlage – vielleicht reicht auch ein rudimentäres eigenes Tool aus. Entscheidend ist, dass es auch öffentlich deutlich wird, in welche Richtung sich die Stadt bewegt. Das Gerede von der „Stadt als Vorbild“ ist bislang bestenfalls ein Feigenblatt. Es fehlt an Verbindlichkeit, Transparenz und konkreten Erfolgen.
Wie groß die Unsicherheit in der Bevölkerung ist, hat die bundespolitische Debatte um das Gebäudeenergiegesetz im letzten Jahr eindrücklich gezeigt. Diverse empirische Untersuchungen zeigen in den letzten Jahren einen immensen Vertrauensverlust in Politik und Staat. Diese Entwicklung bereitet allen Demokraten große Sorgen. Gleichzeitig lässt sich fast schon eine Art „Kulturkampf“ festmachen, der oftmals um „grüne“ Themen dreht. Es sollte daher im Interesse aller Akteure sein, dass es einen transparenten und öffentlichen Diskurs darüber gibt, wie Umwelt- und Infrastrukturpolitik aussehen soll. Dieser Antrag ist hoffentlich ein geeigneter Ansatz, um zumindest dieses Ziel zu erreichen.